Meinung: Warum Ihr Euch Steve Jobs 2015 nicht ansehen müsst

Eigentlich hatte ich mich dieses Wochenende auf Steve Jobs 2015 gefreut, gehöre ich doch noch nicht so lange zu den iOS-Fans. Aber was Boyle/Sorkin da abgeliefert haben, war einfach nur unterirdisch. Nicht deshalb, weil der Apple-CEO nicht im besten Licht wegkam, sondern weil sich der Film in ein Doku-Drama über eine misslungene Vater-Tochter-Beziehung entwickelt, die einfach nicht überzeugen kann.

Who the Fuck is Lisa?

Insgesamt dreht sich der Film um drei wichtige Präsentationen im Leben von Jobs. Macintosh-Vorstellung, Next Cube und MacBook. Zwischen den einzelnen Events liegen Jahre, in denen sich der Apple-Chef persönlich verändert. Schon bei der ersten Präsentation 1984 taucht hier eine Frau auf, mit der Jobs wohl ein Kind gezeugt hat. Das Kind hat die Dame natürlich auch im Schlepptau. Und dann wird eine Stunde vor der Präsentation des Macintosh über Sorgerecht und Vaterschafft-Pflichten gestritten. Eventuell wollte Boyle damit auch zeigen, wie ungewöhnlich und kalt sich Jobs zu dieser Zeit verhielt. So richtig vorstellen kann man sich das aber nicht, dass jemand kurz vor einem Groß-Event, mit dem er „die Welt aus den Angeln heben will“, noch schnell mal sein Privatleben durchkaut. An diesem Punkt habe ich mir gedacht „kann ja nur noch besser werden“.

Statt iKonzern-Interna eine Drama-Doku über eine missglückte Vater-Tochter-Beziehung

Ein paar Jahre später, Jobs ist bei Apple raus und realisiert den Next Cube. Wir befinden uns… Überraschung… in einem Veranstaltungszentrum. Und auch hier treffen wir wieder auf die Jobs-Tochter Lisa. Warum ist das Kind nicht in der Schule, wo wohnt es und wie kommt es überhaupt am Tage der Präsentation in das Veranstaltungszentrum? Jobs ist zu dem Zeitpunkt schließlich Multi-Millionär, Geld für eine Nanny wäre da wohl sicher drin gewesen. Stattdessen hat man das Gefühl, das Mädchen taucht ständig an den unpassendsten Orten auf, selbstverständlich immer ohne Aufsicht oder Begleitung – sprich mutterseelenallein.

Steve Jobs Official Trailer #1 (2015) - Michael Fassbender, Kate Winslet Movie HD

Ich gehe davon aus, dass Boyle damit zeigen wollte, wie wenig sich Lisa‘s Mutter um die Kleine gekümmert hat. Die Frage, ob man das nicht auch mit einem einfachen Dialog hätte abarbeiten können, stellt sich hier durchaus. Vor allem, weil es eine wichtige Szene gibt, in der die Mutter die kleine Lisa abholen will und sich diese daraufhin an Jobs Beinen festklammert und ihn anfleht, in Zukunft bei ihm wohnen zu dürfen. Jobs hat sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht soweit verändert, eine solche Bindung wirklich zuzulassen. An dieser Stelle haben wir bereits zwei Drittel des Films hinter uns gebracht….

„Ich wurde einfach nur schlecht programmiert…“

Letzte Präsentation, aus dem kleinen Mädchen ist eine junge Frau geworden und Jobs will der Welt sein MacBook vorstellen. Natürlich hängt Lisa wieder am Veranstaltungsort ab (zu der Zeit gab es wohl noch keine Shopping-Malls, in denen man sich treffen konnte….), diesmal aber mit Freunden. Jobs & Tochter streiten dann darüber, was für ein mieser Vater Jobs war und dieser erklärt „er sei einfach nur mies programmiert worden“. Danach verspricht er Lisa, dass er für sie den iPod erfinden wird und alles ist im Boyle-Universum des Films wieder in Ordnung.

„Interessante Mischung“: Jobs, Wozniak, Hai-Bilder und das Apple 2-Team

Der komplette Plot rund um die Jobs-Tochter war einfach zu langweilig aufgebaut. Wenn man sich schon darauf fokussiert, dann wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, etwas mehr aus dem Leben von Lisa zu zeigen. Diese erzählt, dass sie ihre Mutter jeden Tag wecken muss, damit diese überhaupt mal aufsteht. Das hätte man doch mit wenig Aufwand auch mal bildlich darstellen können, statt die x-te Kamerafahrt über die Sitzreihen eines namenlosen Veranstaltungszentrums zu realisieren. Leider nimmt diese missglückte Vater/Tochter-Storyline fast 60 Prozent des Films für sich ein. In der restlichen Zeit erleben wir Jobs, wie er seine Mitarbeiter beleidigt oder unter Druck setzt, Streitgespräche mit Wozniak führt oder das beste Bild eines Haies aus einer Bildersammlung aussucht. Einblicke in die persönliche Veränderung des CEOs, speziell aufgrund seiner Erkrankung, kommen so gut wie gar nicht vor. Diese muss sich ein Apple-Kenner immer selbst dazu reimen.

Inhaltlich war das einfach nix. Boyle zeichnet das Bild eines gefühllosen und kalten Arschlochs, ohne auch nur einmal auf eine positive Seite des Menschen einzugehen. Dass es bei einem Multi-Millionen-Dollar Unternehmen wie Apple nicht wie auf dem Ponyhof zugeht, sollte jedem klar sein, egal wie sehr er Jobs feiert. Und dass genau die Mitarbeiter, die besonders mies behandelt wurden, heute aufgrund ihres Apple-Aktienportfolies Multi-Millionäre sind, darf man eben auch nicht vergessen. Dafür muss man dann auch als Programmierer aus der breiten Masse herausstechen und eben auch mit strengen Chefs klarkommen. Lediglich in den kurzen Passagen, in denen Jobs mit seinem Förderer über seine Kindheit und die Adoption spricht, nimmt der Film Fahrt auf. Leider beschränken sich diese Momente auf ein paar wenige. Lieber wird gefühlte Ewigkeiten darüber diskutiert ob und wie wichtig der Apple 2 war/ist….

Winslet & Fassbender können schauspielerisch überzeugen

Ich will mich jetzt aber nicht nur beklagen. Neben Fassbender als Jobs kann auch Kate Winslet als persönliche Chef-Assistentin von Jobs überzeugen und auch die kleine Lisa liefert überzeugende Schauspielkunst ab. Das hätte man wie bereits angedeutet auch dafür nutzen können, die Vater-Tochter-Story etwas eindrucksvoller, dafür aber kürzer, rüberzubringen. Seth Rogen passt für mich nicht ins Setup und ich kann ihm eine seriöse Rolle einfach nicht mehr abkaufen.

Fazit:

Falls Ihr Lust auf eine Art Drama rund um eine missglückte Vater-Tochter-Beziehung habt, dann seid ihr hier definitiv richtig. Wer sich erhoffte, neue Einblicke in die Jobs-Persönlichkeit zu erhalten, wird wohl eher enttäuscht. Und viele der gezeigten Infos & Personen sind eigentlich nur Apple-Fans ein Begriff. Wer sich nicht zu diesen zählt, wird spätestens nach fünf Minuten sein iPhone herauskramen und auf Wikipedia nach Zusatzinfos suchen.

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Leser-Interaktionen

Kommentare

  1. GUi antwortet

    Obwohl von der Kritik damals ebenfalls nicht gut aufgenommen, fand ich den Film „JOBS“ mit Ashton Kutcher aus 2013 eigentlich sehr gut! Der scheint mir sehr eng an der Apple-Geschichte orientiert gewesen zu sein.
    Der Film erzählt den Aufstieg von Apple aus der Garage bis hin zum Weltkonzern, den zwischenzeitlichen Absturz, das Wiederkehren von Jobs bis zur Einführung des IPods.
    Ich denke, der Film bildet (zumindest halbwegs) tatsächlich die Geschichte des Unternehmens und des Mannes Steve Jobs ab.

    • Christian antwortet

      Danke für den Tipp. Wird direkt geschaut;-) Ich hatte mir davor nur „The Man in The Machine“ angesehen. Das ist aber ne reine Doku und kein Spielfilm.

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